Symposium in Essen informiert über den Stand der "Fluthilfe Asien"
Von OTZ-Redakteurin Ulrike Merkel aus Essen
Über Weihnachten reist Kerstin Jeska-Zimmermann nach Sri Lanka, will sich an den Palmen gesäumten Stränden entspannen. Doch als am zweiten Feiertag die sintflutartige Tsunami-Welle auf die Insel trifft, verwandelt diese das Urlaubsparadies in einen Ort des Chaos. Mehr als 30 000 Menschen ertrinken in den Wassermassen, 100 000 Fischerhütten, Schulen, Läden und Hospitale werden zerstört. An die Bilder der Verwüstung, an die wie Papier zusammengefalteten Katen und die riesigen Trümmerfelder, erinnert Kerstin Jeska-Zimmermann vom Rotary-Club am Samstag beim Essener Symposium " Mutter-Kind-Krankenhaus Galle, Sri Lanka", für das Thüringer Leser rund 400 000 Euro spendeten. Um über den aktuellen Stand der Hilfsaktion zu informieren, hatte Stephan Holthoff- Pförtner, Vertreter der WAZ Mediengruppe, zu der auch die OTZ gehört, den Gesundheitsminister des südasiatischen Staates und den eutschen Botschafter in Colombo eingeladen. Denn die kürzliche Ermordung des populären Außenministers von Sri Lanka, Lakshman Kadirgamar, könnte den Waffenstillstand zwischen der hinduistisch-tamilischen Minderheit und den buddhistischen Singhalesen gefährden und damit auch das nordrhein-westfälische und thüringische Hilfs-Projekt.
Anfang der 80er Jahren erhoben sich die im Norden und Osten lebenden Tamilen gegen die singhalesische Regierung und strebten mit Gewalt die Gründung eines eigenen Staates an. Zwanzig Jahren wütete der Bürgerkrieg, 60 000 Menschen mussten ihr Leben lassen, bis 2002 endlich der Waffenstillstand unterschrieben wurde. Der Streit um die Verteilung der insgesamt 3,5 Milliarden Euro Tsunami-Hilfe von Uno, EU und Einzelstaaten sowie das Attentat auf den Außenminister bringen diesen Frieden nun erneut in Gefahr. "Wir wollen keinen Krieg", versichert indes Gesundheitsminister Nimal Siripala de Silva. Gegen manche Widerstände habe die Regierung nun Verhandlungen aufgenommen und suche eine einvernehmlichen Lösung. Das diplomatische Vorgehen der srilankischen Präsidentin Chandrika Kumaratunga gründet sich allerdings auch auf die Bedingung der internationalen Gemeinschaft, die Hilfsgelder nur dann auszuzahlen, wenn beide Streitparteien zuammenarbeiten. Deshalb ist bisher noch kein Cent der benötigten Gelder geflossen. Die privat finanzierten Hilfsorganisationen arbeiten währenddessen kontinuierlich weiter, so auch die mit dem Neubau der zerstörten Galler Mutter-Kind-Klinik beauftragte "Aktion Fluthilfe Asien". Sie hat bereits das rund 16 000 Quadratmeter umfassende Bauland von der Regierung erhalten, das in sicherer Entfernung von der Küste liegt. "Am 26. Dezember, ein Jahr nach der Tsunami-Katastrophe, soll der Grundstein gelegt werden", kündigt WAZ-Repräsentant Holthoff-Pförtner an. Das Hospital und die vom Rotary-Club gesammelten medizinische Geräte würden dringend gebraucht, sagt Klinik-Chefin Priyanee Senadheera. "Das Geburts-Krankenhaus betreut den gesamten Bezirk Galle, in dem 2,3 Millionen Menschen leben und jährlich 15 000 Kinder zur Welt kommen." In der größten Mutter-Kind-Klinik Deutschlands, die zur Berliner Charite gehört, werden lediglich 2600 Babys geboren. Das Krankenhaus wird jedoch nicht nur über 600 Betten verfügen. Es wird auch zum modernen Forschungszentrum und Lehrkrankenhaus ausgebaut. Um srilankische Jungärzte mit den neuesten Behandlungsmethoden vertraut zu machen, ist ein Austausch mit deutschem Ärztenachwuchs geplant. Mit dem Neubau für die 1848 als niederländisches Militärhospital gegründeten Klinik wurde die heimische Firma Senok beauftragt, ein Unternehmen, das auch an der Erneuerung des Frankfurter Flughafens beteiligt war. Die von Nordrhein-Westfalen und Thüringern gespendeten acht Millionen Euro wird die "Aktion Fluthilfe Asien" dem Betrieb direkt, ohne Umweg über Regierungskonten, auszahlen. Damit werde Korruption von vorherein verhindert, erklärt Gesundheitsminister de Silva. Doch so gut sich auch das Klinik-Projekt entwickelt, das Land selbst stürzte durch den Tsunami in eine tiefe Krise. Der Tourismus brach infolge zerstörter Hotelanlagen und der Angst vor weiteren Flutwellen ab. Mehr als 500 000 Menschen hat die Naturkatastrophe das Obdach geraubt. Und die Wirtschaft kann den Wiederaufbau nicht bewältigen. Es fehlt an professionellen Baufirmen und an Fachkräften. Explosionsartig stiegen die Baupreise und damit auch die Inflation an. Gleichzeitig weigern sich die Fischer, in neu errichtete Wohnblocks entfernt von der Küste zu ziehen. "Sie wollen ungeachtet der lauernden Bedrohung vom Fenster aus auf ihr Boot schauen können", beschreibt Botschafter Jürgen Weehrt die sozio-kulturellen Probleme. Dennoch ist er für die Zukunft zuversichtlich. Das Mutter-Kind-Krankenhaus ist ein Schritt in diese Richtung.
21.08.2005
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